leuchtet man erzählt

Der Postbote.

Der Postbote

Der Briefträger kämpfte sich aus dem bequemen Sofa. Nachmittags. Die Stapel an Briefen, die vor ihm auf dem fleckigen angegrauten Teppich noch das letzte freie Plätzchen ergattern zu suchen schienen, wurden immer größer. Bis sie zu einer Monströsität herangewachsen waren, die ein Darüberhinwegsehen selbst für den Postboten nicht mehr möglich machte. Einige waren lose, andere zu großen Paketen verschnürt. Er hatte die Aufgabe angenommen, weil ihm nichts anderes übrig blieb und nur deshalb. Vielleicht erfüllte es ihn auch mit einer geheimen und widerlichen Befriedigung durch die Briefe die Flecken auf dem eigenen Boden abgedeckt zu wissen. Das aber hätte er nicht zugegeben. Natürlich nicht. Er musste, das war es. Mühsam hiefte er die Post hoch in die Tragetasche auf den Rücken, unter die Arme, in die Hände. Es war schwierig genug das Gleichgewicht zu halten. Freilich war es unmöglich mit der Post noch kunstvoll zu jonglieren, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte. Freilich war die Ausbildung es nicht wert, ernst genommen zu werden. Freilich hatten die damals keine Ahnung, dass man die Briefe gleichzeitig auf dem Rücken und in den Händen tragen müsse. Natürlich war es jetzt nicht mehr möglich alles bis an die einzelnen vielen Haustüren zu liefern. Wie auch? Die Stadt war doch ziemlich groß und es begann zu dämmern. "Guten Tag", sagte er und tippte einem zufällig Passierenden auf die Schulter, "kümmern Sie sich bitte darum". Er übergab ihm einen Teil der Briefe und Karten, es war doch genial. Dieser Mann hatte doch wohl Zeit und dieser kleine Teil der auszutragenden Post war kaum eine Belastung. Der Passant nahm es entgegen, versuchte sein Bestes, ohne entsprechende Kenntnisse. Es würde wohl nicht alles ankommen. Das war sicher. Dabei war es lächerlich. Er hatte dem Mann vielleicht 20 Briefe gegeben, es war lächerlich. Man solle nur ihn betrachten, wie er dachte. Ihm wachse es über, über und über den Kopf. So sei es doch. Der Briefträger ging zum nächsten Passanten. Er bekam ein Stück der Post. Er stolperte. Ein solch kleiner Teil soll zu schwer gewesen sein. Was solle erst der Postbote sagen. Jeder bekam ein Stück der Post. Alles wurde aufgeteilt wie beim letzten Abendmahl nach ganz nächstenliebender Manier. So sei es doch zu verstehen. Einige unter ihnen schüttelten den Kopf und entledigten sich der Briefe beim nächsten Mülleimer, andere begannen ihren Gang und verloren die Lust nach dem ersten Haus. Wieder andere liefen noch den ganzen Abend. - Die Beschwerden wurden tags darauf eingereicht. Dem Postboten wurde gekündigt. Da wurde einem Menschen gekündigt, obwohl der Fehler bei den anderen lag.

Beim Friseur.

Beim Friseur

Er ging zum Friseur. Die Angestellten schienen höchst beschäftigt durch das Geschäft zu wuseln als hätten Sie an Wichtigkeit kaum zu übertreffende Geschäfte zu erledigen. Er wurde in den mittleren Teil des Raumes geleitet, wo er erleichtert auf einem Stuhl Platz nahm. Einer der Mitarbeiter kam heran, stellte sich vor und begann mit ihm das Folgende zu besprechen, bevor er die Schere zur Hand nahm. Während der Arbeit tauschten sie einige Worte aus, was ihn etwas unbeschwerter machte. Der Friseur schien sich ganz gelassen nur auf den Kopf vor ihm zu konzentrieren, als wäre es das Einzige, was im Moment zählte. Er war so in das aufkeimende Gespräch, in diese durchaus unterhaltsame Konversation mit diesem Angestellten vertieft, dass er seinen Blick auf den Spiegel gänzlich auf den Friseur fixierte, der dort spiegelverkehrt zu sehen war. Bevor dieser die Schere zur Seite legte, lächelte er seinen Kunden noch einmal an und verwies auf sein Werk. Nun aber stellte sich heraus, dass das Ergebnis keineswegs dem zuvor besprochenen gerecht wurde und sofort zu reklamieren war. Er drohte auch, sollte nicht umgehend der Schaden wieder in Ordnung gebracht werden, jegliche Bezahlung zu unterlassen. Er hatte sich gar auf seinem Stuhl umgedreht, um dem Friseur in die Augen sehen zu können. Dieser aber blickte ihn entgeistert an und erwiderte verständnislos: "Was denken Sie sich denn? Ich habe die Frisur schließlich nicht für Sie geschnitten, ich kenne Sie nicht einmal." Bestürzt verließ er den Laden und bemerkte, dass niemals er einen Maßschnitt hätte erwarten dürfen.

Der Schauspieler

Der Schauspieler

Er war nicht herausragend in seinem Beruf, aber er war durchaus in der Lage seine Familie zu ernähren. Weder die schwierigen Hauptrollen noch die völlig unbeachteten Nebenrollen wurden ihm zugetragen. Der Schauspieler las das neue Drehbuch und dachte zum ersten Mal in seinem Leben über die Rolle nach, die er spielen sollte. Plötzlich schien er der großen Bühne kaum mehr gewachsen zu sein, ja er fühlte sich gar unwohl in Aussicht auf die große Herausforderung, die ihm gestellt wurde; bemerkte er doch ebenso zum ersten Mal in seinem Leben, wie anstrengend doch das Schauspiel war. Als er weiter nachdachte, überkam ihm immer mehr Unsicherheit bis er bemerkte, dass es ihm unmöglich war einen so grundverschiedenen Charakter darzustellen. Aus lauter Verzweiflung und Nervosität das Spiel völlig vergessend, begann er seine Rolle mit seinem Selbst zu verwechseln und mischte die komplette Handlung auf. Er war sich nicht mehr sicher, wie er die ihm aufgetragene Figur des Schauspiels verkörpern konnte, wo er doch gleichzeitig er, der ganz andere, er selbst war. Völlig verwirrt irrte er über die Bühne und hatte all seine Dialoge vergessen, welche er ganz verstört durch seine ersetzte. Während sich große Empörung breit machte auf den Gesichtern der übrigen Schauspieler, die ihn beinahe angewidert ansahen und sich ernsthaft fragten, wie jemand einen solch unglaublichen Hochmut besitzen könne, tobte der Regisseur und schrie mit großen Gesten, niemand habe sein unantastbares Drehbuch zu verändern. Noch am selben Tag nahm er den Kugelschreiber zur Hand und unterschrieb mit immer noch hitzigem Gemüt die Kündigung.

Die Zwiebelparabel.

Die Zwiebelparabel

Es war sein erster Tag. Unsicher nahm er vor dem Tisch seinen Platz ein. Die fünf Zwiebeln, welche vor ihm lagen, schienen in ihrer Makellosigkeit um den Platz des Vorzeigeobjektes der Firma regelrecht wetteifern zu wollen. Lächerlich erschien eine Auswahl. Selbige, Anordnung von oben, war zu treffen. Der Absicherung wegen, wolle er das Gemüse auf faule Stellen untersuchen. Man wisse ja nicht, wie es innen aussehe, man wolle schließlich keinen Fehler begehen. Gewissenhaft begann er die oberste Schicht zu entfernen, sodass nur die nackte grün-weiße Zwiebel übrigblieb. Seine Augen begannen zu tränen. Immer noch nicht jedoch, war eines der Objekte auszumachen, welches unwürdig zu sein schien. Aus Angst etwas zu übersehen, begann er jede Einzelne der Zwiebeln um eine weitere Schicht zu berauben. Während ihm die Tränen in die Augen stiegen, konnte er weiterhin keine Fehler ausmachen. Panik breitete sich in ihm aus und nun gar nicht mehr sorgfältig, sondern in größter Hektik, schälte er Schicht um Schicht, bis auf ihr Innerstes drang er vor, obgleich seine Augen anschwollen. Letzendlich ließ sich durch den Tränenschleier kein Detail mehr erkennen, geschweige denn ein Urteil treffen. In seiner Verzweiflung, zerstampfte er die Zwiebeln, wild auf sie einwirkend und ohne groß auf sein Ziel der Auswahl bedacht zu sein, wurden sie zu einem undefinierbaren Brei gerührt. Die Tränen, den Schweiß aus dem Gesicht wischend, musste er das Unheil betrachten. Nichts war mehr auszumachen, das makellose Gemüse war zerstört. Er hatte versagt, an seinem ersten Tag.

leuchtet man erzählt
leuchtet man gereimt
leuchtet man im nachtgespräch
leuchtet man mit bild
tagsüber
Und sonst.
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren