tagsüber

Sommer und sonst was.

Guten Abend. Licht aus, die Sterne blenden.

Sommer ist dann, wenn man abends mit Rad durch die Luft fährt, wenn der Himmel schon fast schwarz, aber immer noch dunkelblau ist und man spürt, dass alles Lebt. Wenn man spürt, dass jede einzelne Zelle der Bäume und der Käfer und der wenigen Menschen auf den Straßen atmet, osmotisch pulsiert und Energie umsetzt. Wenn man diese Energie spürt, wie sie die Luft mit einer fast unerträglichen also höchst angenehmen Spannung auflädt und die Staubkörnchen über den Wegen zum Tanzen bringt, wenn der Wind in rhytmischen Bewegungen die Bewegungen seines Umfelds aufnimmt und sie zu den Herzschlägen der Gräser hüpfen und dabei Spiralen in das Licht der Straßenlaternen zeichnen. Genau dann ist Sommer. Es ist Sommer.

Und wann sind Ferien? Ferien sind dann, wenn man nichts zu tun hat und deshalb sich dessen bedienen kann, was der Tag so im Sonderangebot an den Extratisch liefert und diese Lieferung aufs Haus geht. Sie sind dann, wenn man selbst mit einem Pinsel in den Gedanken herumpinseln kann ohne sofort von hektischen Konventionsgedanken gestört zu werden und dann wenn man dem Herz beim Schlagen zusehen kann. Sie sind dann, wenn man sich aus Watte in Watte fühlt und dadurch die Konturen verliert. Es sind keine Ferien. Der Kalender sagt das zwar, aber mit zwei Wochen lang widerlichen monströs bedrohlich mich ansterrenden zu erledigenden und kaum fertigzustellenden Aufgaben und einer entstellend hässlich angeschwollenen Backe mit, wie ich mir in meiner sadistischen Fantasie ohne Weiteres vorstellen kann, höllischen Druck- Zieh- Stech- Poch- sonstwas- viel- ebenso- wieauchimmer- und zumal- Schmerzen kann man unmöglich von Ferien sprechen.

Guten Abend.

Trott und Polle.

Guten Tag!

Ich falle zurück in den Trott, der vor der Kollegstufe meine Lerngewohnheiten bestimmt hat. Das bedeutet ich lerne gar nicht mehr und bemerke dabei, dass diese Methode an Effektivität nicht im Geringsten eingebüßt hat. Es gibt gar kaum Kontraproduktiveres als sich an den Schreibtisch zu setzen und aus einem Buch bzw. einem Ordner Informationen visuell zu erfassen, um sie über das zentrale Nervensystem ohne Rückenmark verarbeiten und möglichst im Langzeitgedächtnis abspeichern zu können. Nichts tun zu glauben, aber tiefsinnigst zu sinnieren, sich in Weisheit baden zu können zu gedenken (zu müssen zu dürfen zu sehen), das ist die méthode du réverbère. Testen Sie selbst, Sie werden nicht enttäuscht sein!

Was ich neuerdings auch teste, ist eine wunderschöne Allergie, das heißt böse Mastzellen setzen böse Granula frei, weil sie von heute auf morgen Pollen für gefährliche und lebensbedrohliche Killerviren mit Monster-DNA halten. Wenn beide Elternteile vorbelastet sind natürlich, dann ist es utopisch zu glauben, man selbst bliebe ein Leben lang verschont, aber immerhin hatte ich 18 Jahre lang nichts, also was um alles in der Welt soll das bitteschön?

Guten Abend.

Wendeltreppen.

Guten Abend.

Man mag es nicht glauben, aber es ist anstrengend zu passen. Wenn gelacht und gefeiert wird, sollte man dasselbe tun und wenn gestritten wird, sollte man miteifern, wenn eine sachliche Diskussion ansteht sollte man auf emphatische Ausbrüche verzichten. Ich habe diese Merksätze verinnerlicht. Ich könnte es vermutlich nicht ertragen, die Blicke bei einem gewaltigen Stilbruch auf mich gerichtet zu sehen. Überhaupt habe ich Angst vor Blicken, die mir bedeuten, ich habe die Erwartungen nicht erfüllt, es überschwemmt mich mit einer unangenehmen Peinlichkeit, mit einem Gefühl des Schwebens ohne Boden, wenn ich entsetzte Gesichter auf mich gerichtet sehe, wenn eine Situation eingetroffen ist, die man noch nie geprobt hat.
Doch manchmal da kann man nicht mehr. Dann wird die Angst, es könnte etwas sein, was nicht sein darf, weil es nicht passt, weil es eine furchtbar ungewohnte Situation hervorrufen würde, zu groß. Dann überkommt einen ein Schwindel, ein Sog, als würde man eine Wendeltreppe hinunterfallen, immer tiefer, den Blick nach unten gerichtet. Man verliert den Boden unter den Füßen und verspürt die fieberhafte Panik, die einen daran hindert normal weiter zu machen. Bis man alles endlich und schließlich verdrängt hat. Abschieben, abschieben, das ist die Devise des heutigen Tages, der letzten Woche, des letzten Monats, abschieben, abschieben.

Guten Abend.

Schaufenster und Schaufenster

Guten Tag.

PROBEAUSSCHANK
steht groß im Schaufenster derjenigen Apotheke, an der ich so fast manchen Tag vorbeigehe.
"Vielleicht noch etwas von dem Penicillin?"
"Hm, ja, das hätte ich auch noch gerne probiert."
"Kein Problem, ist ja heute alles um sonst, nicht?"

Schaufenster sind im Übrigen auch meine Lebensräume. Kennen Sie das? Man steht auf, man zieht sich an, man funktioniert und dann sieht man zu. Wie im Theater macht man es sich bequem, ganz hemmungslos guckt man zu, denkt drüber nach, erlebt ein wenig Katharsis und dann ganz plötzlich wird man angesprochen. So plötzlich mitten in einem wunderschönen Zuschauertag wird man angesprochen und muss feststellen, dass man mit den anderen auf dieser dämlichen Bühne steht, die weite lange Weile schon, seit der große Zehe den Schutz der Bettdecke verlassen hat. Ganz peinlich berührt muss man dann wohl feststellen, dass man seitdem vergessen hat zu spielen und den Text für diesen Tag nicht mal angesehen hat vorher. Manchmal überfordert mich das teatro del mundi mit seinen Anforderungen...

Guten Abend.

Die Welle und der Kanal

Guten Tag.

Freudig und erwartend voller freudiger Erwartung freue ich mich erwartungsvoll auf die Rückkehr der Isolation und jawohl es gibt Erkenntnisse zu verzeichnen. Die Isolation kommt in Wellen, welche wie bei Ebbe und Flut die Vakuumgefühle in mein Hirn schwemmen. Allerdings entstehen meine Gezeiten durch eine Sonne, die ihre Masse beliebig verändern kann und, wenn sie es wünscht, auch mal im Supermarkt einkaufen geht. Und wenn sie dann da ist, die Isolation, dann pumpt sie die Gedanken aus dem Hirn, legt einen Schlauch, füllt die Lustlosigkeit und Faulheit rein, macht den Korken drauf und verschwindet, während mein Hirn damit beschäftigt ist, das undefinierbare Nichts wieder zu verbannen, um es mir zu ermöglichen wieder normalen Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Herrje, ich finde es gibt Angenehmeres als diese Schwebezustände.

Im Übrigen ist die Frage noch nicht geklärt, ab wann eine Soße richtiges Essen und ab wann Flüssigkeit ist. Eine Tomatensoße zum Beispiel, also eine billige mit viel Wasser, muss die in den Gulli oder in den Müll? Rein Prinzipiell müsste man fragen, ob der Wasseranteil überhaupt eine Rolle spielt, oder vielmehr das, was damit passiert. In der Müllverbrennungsanlage würde sich die Tomatensoße bestimmt nicht gut schlagen, während die Kanalarbeiter das mediterrane Aroma vielleicht durchaus zu schätzen wüssten. Also: Gulli. Aber: Die Tomatenstückchen wären vielleicht ein anregendes Apettithäppchen für bestimmte Kanalbewohner, die dann wiederum ein eher unangenehmes Klima für die Kanalarbeiter böten, was dann dazu führte, dass der Kanal nicht mehr bearbeitet würde, was es unmöglich macht, die Soße in den Kanal zu kippen.

Nun, es möge Ihnen eine angenehme Nacht zuteil werden.

Die Farbe, der Zug und der Herr.

Guten Tag.

Und wieder ein Wochenende überstanden, das nach der Definition eines wirklichen Wochenendes ganz eindeutig kein Wochenende war, obwohl es am Ende der Woche stattgefunden hat. Ich habe mich dennoch einmal mehr durch den Dschungel an Pflichtkommunikationen geschlagen und um alles in der Welt versucht, nicht aufzufallen. Tatsächlich war ich nicht einmal durchsichtig. Manchmal kommt es mir in letzter Zeit fast so vor, als hätte jemand Farbe auf mich gepinselt, soso, den wenn ich erwische...

Und warum nur nimmt man Dinge wohl von Zeit zu Zeit so andersartig wahr? Es ist wohl so, als säße man im Zug und beobachtet all das Geschehen von der mit dümmlichen Geistesergüssen beschmierten Plastikscheibe. Am nächsten Tag steht man an der Kasse an und lacht sich kaputt, da man plötzlich fest überzeugt ist, diesen Zug gäbe es nicht einmal und übermorgen, wenn man einfach so im Bett liegt, fragt man sich, was um alles in der Welt, das für ein Supermarkt gewesen sein soll. Der Weg dazwischen muss um jeden Preis ins Unterbewusstsein abgeschoben werden, das sehen Sie sicher genauso, nicht wahr?

- Guten Tag, Herr Unterbewusstsein, wie geht es Ihnen?
- Danke, ich bekomme nur Zusammenhangloses, das in einem seltsamen Zusammenhang zusammen hier rumhängt, soll ich die jetzt füttern oder was?
- Oh, meinen Sie ich brauche die nochmal?
- Keine Ahnung brauchen Sie die Verwirrung noch?
- Ja, sicher. Also gut: Füttern und gut aufpassen!

Guten Abend.

Das Pflaster, die Schuhe und das Haus.

Guten Abend.

Plötzlich merkte er, er war auf viel zu teurem Pflaster.
Er rannte, stolperte und fiel aufs Pflaster.
"Hilfe", rief er, "hat jemand ein Pflaster?"

"He", schrie er, "machst du meiner Tochter den Hof?"
"Ich kenne sie gar nicht", und er rannte über den Hof.
Schnell, dachte er, auf die Autobahn nach Hof.

"Sag mal, fährst du schon immer diesen Laster?"
"Nein, ich war Sportler, aber ich hatte ein Laster"
"Sie rauchen, Sie fressen?" - "Nein, ich liebe Laster."

Die Gedanken kommen einem so, wenn man zum ersten Mal im Jahr wieder das Profil eines schmutzigen mit den schwarzen Kaugummiresten von 1994 versehenen Kopfsteinpflaster durch die Fußsohlen spürt. Denn endlich haben die holzplockähnlichen Schuhe, die einen Fuß für den Winterschlaf zu einem Gehpflock degenieren lassen, ihren Platz in dem auch sehr staubigen Schuhschrank wieder gefunden.

Hatte ich einmal erwähnt, dass ich ein Existenzialist bin? Ich bin ein wirklich sehr existenzialistischer Existenzialist (der gerade lernt dieses Wort einigermaßen schnell in die Tastur einzutippen: Existenzialist). Es ist nämlich so, dass wir alle in einem Wohnhaus leben, nur dass man keine Bewegungsfreiheit genießt. Ich bin zum Beispiel im Kochtopf, während andere vielleicht an der Klopapierrolle hängen und ich kann sie nicht sehen, ich weiß nicht einmal das sie existiert, ich kann höchstens mit viel Anstrengung einmal auf die Herdplatte hüpfen. Und dann sagt man, wir alle wären Menschen und steckten alle im selben Leben. Dabei ist es ja lächerlich, denn das Haus ist nur abstrakt und mein Leben ist der Kochtopf und all die unerhellten Nichtexistenzialisten denken auch, dass ihr Türknaupf das Leben wäre und nicht das Haus. Das Haus. Das Haus.

Guten Abend.

Erwartung und Sehnsucht

Guten Tag.

So. Das Zeug, dass mir wie hässliche Nebelschwaden das Sehen erschwert und völlig undurchsichtig rote Fragezeichen in meinen Kopf pinselt und doch gleichzeitig einen bestimmten Reiz auf mich ausübt, ganz so als wäre das Magnet eben diese Undurchsichtigkeit selbst und würde schreien danach endlich bezwungen zu werden, habe ich besiegt. Oder anders ausgedrückt: Die Kommentarfunktion geht wieder. So.

Und so:
"Sie werden mehr sehen als sie erwarten!"
"Unmöglich."
"Weshalb sollte das unmöglich sein, sehen Sie doch!"
"Hören Sie, Sie haben sich doch selbst widersprochen."
"Nicht im Geringsten."
"Aber nun, da Sie mir sagten, ich würde mehr sehen, als ich erwarte, erwarte ich ja mehr als ich erwarte und daher werde ich nicht mehr sehen können als ich - ja mehr - erwarte."
"So. Sososo..."

So. Und oder:
Die Sehnsucht schließt auch immer gleichzeitig den Erfüllungswunsch aus, sonst wäre sie wohl keine Sehnsucht. Es ist ganz so, als säße man in einer Zelle mit Gitterstäben und würde jeden Tag hinaussehen in den Hof, auf dem sich der Staub in der Sonne zu den Düften nach Sehnsüchten selbst verzweigten. Es ist so als würde man mit den Augen und den Händen gierig durch das Gestänge langen, um die Luft zu atmen und den Boden zu durchwühlen. Tatsächlich aber will man nichts berühren, da man so lange nichts dergleichen erlebt hat, man möchte nichts zerstören, man möchte fachmännisch genießen. Es ist als könne man sich im Staub nur baden, die Moleküle nur tanzen sehen, die Wirbel nur zum Flug mitnehmen, wenn man es jeden Tag täte, denn andernfalls würde die Unsicherheit alles zerstören. Und ohne es zu merken sehnen wir uns dann nur nach der Sehnsucht, nur danach sehnsüchtig durch die Gitterstäbe zu blicken, das ist das Größte und ganz ohne es zu merken. So.

So. Sososo.

Das Grau und die Spinnen.

Guten Tag.

Auf ein Neues. Ich hoffe Ihnen gefällt der Hund und der Hut und Sie stehen auf grau. Manch einer würde wohl sagen, dass grau gar keine Farbe sei, ich sage, das wäre eine hinterhältige Beleidigung, die sich das grau kaum gefallen ließe, könnte es sich denn währen. Das Problem ist aber offensichtlich, denn das grau kann nicht rot anlaufen vor Wut, sich nicht blau und grün ärgern und nicht mit einem schlagfertigen Gegenargument voll ins Schwarze treffen. Ich aber kenne die Gedanken des grau: Im Grunde ist grau sogar die einzig existierende Farbe. Man hat zwar das Gefühl, grau wäre gar keine Farbe, sondern nur eine Mischung, man fühlt sich ja ständig dazu hingezogen, die Augen zusammenzukeifen, um sagen zu können es sei schwarz oder das Licht anzuschalten, um zu behaupten es sei weiß. Aber der Socke, der hat ja auch immer Fussel und auf jedem Blatt findet sich ein mikroskopisch kleiner Fleck und grau ist so endlos fleckig und schmutzig und falsch und unehrlich und gepanscht und schlecht und richtig und damit überhaupt die einzig existierende Farbe, jawohl!

Desweiteren wirkt das Prinzip des Enthropiemaximums in meinem Zimmer wieder außerordentlich. Und wenn ich sage außerordentlich, dann ist das mehr als wörtlich zu nehmen und wenn ich sage mehr als wörtlich, dann stehen wir schon wieder vor dem grau-Problem, das wir Gott sei Dank oben gelöst haben.

Und ich glaube, das Widerlichste ist es, etwas anfangen zu müssen, das man nur streifen kann. Das ist das, wenn man eine riesige Kiste voller wild krabbelnder und haariger Spinnen hat und in dieser Kiste aus einem uns bis heute unerklärlichen Grund Briefmarken aufbewahrt. Man muss dann die Kiste öffnen und eine dieser Papierettiketten, dieses Parketts für den königlichen Speichelfluss, herausnehmen, um sie danach wieder sicher und fest zu verschließen. Der Grund, warum die Männchen dann die Haare aufstellen, ist der, dass man in die 2912 Spinnenaugen sehen muss und weiß, dass man keine Zeit hat, die Spinnen endgültig aus dem hölzernen Trüchen, Truhleinchen, Trüchenleinchen, T... zu entfernen. Wenn man nur den Brief später abschicken könnte...

Guten Abend.

Vom Schwanken und vom Pangasius.

Guten Abend.

Alte Menschen. Ein herzliches Schwanken meiner Gedanken.
Leidend? Überheblich? Langsam? Selbst schuld? Stolz? Allen Stolz verloren? ...?
Und manchmal ein Schwanken zwischen Belustigung und unglaublicher Traurigkeit über das Wesen, das sich mit flehendem Blick am Rocksaum der Würde festzuklammern sucht.

Alt-Jung:
Jung (scherzhaft): Hast du gestern gar nicht King Kong angesehen?
Alt: Was hab ich angesehen?
Jung: King Kong, dieser Riesengorilla...
Alt (entschieden): Nein. Ich mag diese ganzen Tierfilme nicht. Ich bin eh am Bauernhof aufgwachsen.
[Tierfilm? Naja. Ansichtssache.]

Alt-Alt:
Er: Schmeckt's dir?
Sie: Was ist das denn?
Er: Pangasiusfilet.
Sie: WER?
Er: Pangasius. Der Fisch. Kennst du nicht Pangasius?
Sie: WEN?
Er: PANGASIUS. Der Fisch. Schmeckt er dir?
Sie: Ja. Was ist das denn für ein Fisch?

[Die Dialoge wurden zur besseren Verständlichkeit von einem bestimmten Dialekt ins Hochdeutsche übertragen]

Und sonst?

Morgen. Morgen bitte. Heute fehlen mir die Worte.

Guten Abend.

leuchtet man erzählt
leuchtet man gereimt
leuchtet man im nachtgespräch
leuchtet man mit bild
tagsüber
Und sonst.
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren